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Image by Patricia Tsernoshova

Hunde

ihre Geschichten

Ich spreche zu dir, hörst du hin?

Hinweis zur Privatsphäre

 

Alle Geschichten basieren auf echten Tiergesprächen, die ich im Laufe der Jahre führen durfte.
Aus Achtung vor Tier und Mensch wurden Namen, Orte und erkennbare Details verändert oder anonymisiert.
Manche Erzählungen fassen mehrere Erfahrungen zu einem Beispiel zusammen.
Die Bilder sind symbolisch gewählt und zeigen nicht die tatsächlichen Tiere.

Der Lebenswille

Die Halterin hatte mich für ein Tiergespräch und eine Abschiedsbegleitung gebucht. Ihr alter Hund schien immer schwächer zu werden – sie dachte, die Zeit des Loslassens sei gekommen. Doch im Gespräch mit ihm zeigte sich ein ganz anderes Bild: "Ich will nicht sterben!", teilte er entschlossen mit. "Mein Geist ist klar, nur meine Beine versagen. Ich bestehe auf eine Operation – ich will wieder laufen können!" Mit überraschender Deutlichkeit beschrieb er seinen Willen: jeden verbleibenden Tag bewusst mit seiner Halterin zu verbringen. Die Frau war fassungslos. Zwar war eine Operation ursprünglich im Raum gestanden, doch man hatte sie aus Risikogründen verworfen. Nun stand sie vor einer völlig neuen Entscheidung. Was als Abschied gedacht war, wurde plötzlich zu einem Neubeginn – geprägt von unerwarteter Klarheit und dem unbeugsamen Lebenswillen ihres Hundes. Die Operation wurde durchgeführt. Sie verlief gut. Die folgenden Jahre verbrachten die beiden in tiefer Vertrautheit – bewusst, innig und getragen von gegenseitigem Respekt.

Der richtige Zeitpunkt

Die Halterin fragte ihren alten Hund mit zitternder Stimme: "Wie werde ich wissen, wann du bereit bist zu gehen?" Seine Antwort traf sie wie ein Donnerschlag: "Erst wenn unser Rudel wieder komplett ist." Die Halterin atmete tief ein. Tatsächlich fehlte noch ihr Sohn, der für einige Monate im Ausland lebte – doch seine Rückkehr stand unmittelbar bevor. "Ich warte", sagte der Hund mit letzter Entschlossenheit – dann verstummte er. Als die Familie endlich wieder vereint war, geschah das Wundersame: Der greise Hund sprang plötzlich wie in jungen Tagen durch den Garten, sein Fell glänzte, die Augen funkelten. Doch die erfahrene Halterin wusste – dies war das letzte Geschenk, das sogenannte "Terminal Lucidity". Im letzten Tiergespräch bestätigte er leise: "Jetzt ist es Zeit." In einem Kreis aus Händen und Tränen, unter sanften Streicheleinheiten und dem Duft seiner Lieblingsleckereien, löste er sich friedlich von dieser Welt – auf seine Weise, zu seinem Zeitpunkt, in vollkommener Vollständigkeit.

Hundebegegnungen 

Der Tierschutzhund zeigte ein rätselhaftes Verhalten: Bei jeder Begegnung mit Artgenossen geriet er ausser sich – zitternd, bellend, kaum ansprechbar. Trotz Training, trotz Geduld blieb die Unruhe. Im Tiergespräch fragte ich ihn direkt: „Was würde dir helfen, gelassener zu sein?“ Seine Antwort war verblüffend einfach: „Ich muss mich zuerst austoben. Diese ganze Energie in meinem Körper… sie muss raus, bevor ich still sein kann.“ Die Halterin handelte sofort. Vor jedem Spaziergang liess sie ihn nun rennen, spielen, sich verausgaben. Und siehe da: Bei der nächsten Hundebegegnung blieb er erstmals ruhig an ihrer Seite – präsent, aber gelassen.

Der Jäger und die neue Ordnung

Die Halterin hatte den Hund erst seit wenigen Tagen, als sie ihn kurz mit der Katze allein liess. Doch als sie zurückkam, fand sie ein Trauma vor: Die Katze war tot. Im Tiergespräch fragte sie mit zitternder Stimme: „Warum?“ Der Hund antwortete arglos: „Ich bin ein Jäger. Das ist meine Natur. Hab ich etwas falsch gemacht?“ Behutsam erklärten wir ihm die neue Ordnung: „In diesem Zuhause sind alle Tiere Familie. Deine Aufgabe ist Schutz – nicht Jagd.“ „Auch Katzen?“, wollte er wissen. „Auch Katzen“, bestätigten wir. Die Halterin berichtete später von ersten Veränderungen – noch unsicher, aber spürbar. Der Jäger lernte langsam, dass Liebe manchmal bedeutet, seine Natur zu zähmen.

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